Kurzgeschichten

Chaos der Gedanken


Ein Flimmern,- gleißendes Licht, langsam zieht eine milchigweiße Wolke über die brennend - heiße Sonne und doch ist alles grell, schrecklich grell...

Wohlig schlängle ich mich durch das vom Morgentau benetzte Gras, tauche ein wenig in die lockere Erde um gleich wieder in das Naß des angehenden Tages zu baden. Ganz in der Nähe höre ich das Zirpen einer Grille, es schwillt an,- und immer mehr und mehr - es müssen nun hunderte, ja tausende sein... Panik erfaßt mich und gefoltert von der Unerträglichkeit des Daseins, entschwinde ich in die Tiefe der ach so dunklen und schweren Erde...

 

Tiefer und tiefer, immer härter werdende Erde, hin und wieder durchbrochen von Höhlen und Stollen, dann Gestein, nichts als sich verändertes Gestein und - Ruhe...Es ist kalt, so kalt,- die Dunkelheit scheint ewig zu sein, nichts ist mehr von Bedeutung, nichts ist mehr existent, - Schwärze und Geräuschlosigkeit...

Doch, - da ist etwas! Ein Geschiebe, ein Krächzen, ein leises Grollen? Noch tiefer, ich muß es erkunden, die Ungeduld wächst, - die Geräusche werden lauter, intensiver, ja bedrohlich irgendwie, irgendwie, irgendwie... Es wird wärmer, ja heiß, glühend heiß, flüssige Gesteine, infernales Getöse...

Ein Rülpser, - ich werde ausgespuckt, entsorgt, entledigt...

 

Ein Flimmern,- gleißendes Licht, langsam zieht eine milchigweiße Wolke über die brennend - heiße Sonne und doch ist alles grell, schrecklich grell...

„Mami, Mami" ruft die glockenhelle Stimme meines Sohnes, „Komm, du bekommst noch einen Sonnenbrand! Laß uns noch schnell vor dem Mittagessen ins Meer schwimmen gehen." Blinzelnd schaue ich in die Mittagssonne, die von einer winzig kleinen Wolke halb verdeckt wird. Der Sand unter meinem Körper ist ein wenig feucht, hinter mir höre ich das leise Zirpen von Grillen. Ich stehe auf, doch meine Sohlen können die Hitze des Bodens kaum ertragen. In der Ferne höre ich das Knattern eines Motorbootes...

 

Journalistische Geschichten

Die Legende der Meenakshi


Meenakshi ist eine Hindu Gottheit - Schwester Vishnu‘s und  Gattin Shivas - sie wird hauptsächlich in Südindien verehrt. Sie ist eine der wenigen weiblichen Gottheiten, die in einem einem Haupttempel verehrt wird - dem Meenakshi Tempel in Madurai, der Hauptstad vonTamil Nadu. 

Vor langer Zeit tötete Indra einen Dämon, obwohl dieser niemandem etwas zuleide tat. Seit dieser Tat haftete ein Fluch auf ihm - er mußte solange auf Wanderschaft gehen, bis ihm seine Sünde verziehen werde. Durch die Kraft des Shivalingam wurde er nach endlos langem Wandern von seinen Leiden in einem Wald befreit und er baute an dieser Stelle einen kleinen Tempel.

Zu dieser Zeit lebte in Südindien ein Pandyan König namens Malayadhwaja Pandyan, der ein kleines Städtchen mit dem Namen Manavur regierte, das sich in der Nähe von Shivalinga befand. Er war der Sohn von Kulashekara Pandyan. Er kannte die Kraft des Shivalanga und beschloß einen riesigen Shiva Tempel  im Wald Kadambavanam (vanam bedeutet Wald) zu erbauen. Er entwickelte diese Region zu einem blühenden Fürstentum mit dem Namen Madurai.

 

 

Der König war kinderlos und suchte einen Erben für sein Reich. Shiva erhörte seine Gebete mit einemAyonija Kind (nicht auf natürlichen Weg geboren). Das Kind war drei Jahre alt und eine Inkarnation der Göttin Parvati, der Gattin Shiva‘s. Sie wurden mit drei Brüsten und fischförmigen Augen geboren. Es wurde gesagt, daß die dritte Brust verschwinden würde, in dem Moment wo sie ihren zukünftigen Gatten begegnen wird. Sie bekam den Namen Meenakshi, (fischäugig) nach den Worten meen (Fisch) und akshi(Augen).

Sie wuchs heran und regierte nach dem Tod des Königs das Fürstentum mit großem Erfolg.  

Auf einer ihrer Expeditionen kam sie ins Himalaya Gebirge und begegnete dort Shiva, ihre dritte Brust verschwand. Viele Götter und Göttinnen bezeugten ihre  Verlobung.

Während der Hochzeitszeremonien lehnten die Götter die gereichten Speisen solange ab, bis Shiva einen majestätischen Tanz vorführte - es war der TanzChidambaram, der *Kosmische Tanz* - vor seiner Braut Meenakshi. Am Ende des Tanzes bekam sie die Kraft des shivalingam und verwandelte sich in eine Schönheit.

 


 

 

Die Juden von Cochin

 

     Cochin liegt an der Südwestküste Indiens, im Bundesstaat Kerala. Nur knapp nördlich des Äquators ist diese kleine Provinz, nur ungefähr 1 %  der Gesamtfläche des gesamten Landes, die Tropenküste Indiens, die am Arabischen Meer verläuft. Cochin selber, ist mit etwas mehr als 1 Millionen Einwohnern, die größte und modernste Stadt Keralas.

 

     Ich richtete  es mir so ein, daß ich auf meiner Südindienreise zu Rosh Hashana, das jüdische Neujahrsfest, in Cochin war. Ich wußte, daß es dort eine

mehr als zweitausend Jahre alte jüdische Gemeinde gibt und wollte bei dieser Gelegenheit mehr über die vergessenen Juden von Cochin erfahren. 

 

     Die Altstadt (Fort Cochin) ist am bequemsten mit der Fähre zu erreichen. Vom Boot aus, sieht man nur kleine alte Häuser, die zwischen tropischer Vegetation versteckt sind. Kaum ist man an Land, fühlt man sich Jahrhunderte zurückversetzt. Kleine, enge Gassen voll bunter Geschäftigkeit. Es duftet nach Gewürzen und Räucherstäbchen, die weltweit einzige Pfefferbörse befindet sich inmitten dieses Trubels und plötzlich befindet man sich in  Jew Town. 

 

     Nun war ich also im jüdischen Viertel. Das Straßenbild änderte sich kaum, doch etwas war anders:  Die kleinen bazarähnlichen Geschäfte hatten Hebräische Aufschriften und an den Häusertüren waren jüdische Namen zu lesen. Ich ging entlang der Jew Town Road Richtung Synagoge. Am Eingang zum Vorhof, saß ein älterer indisch aussehender Mann und sagte mir, daß heute der Tempel für Touristen geschlossen sei, da Feiertag wäre. Ich versicherte ihm, daß ich Jüdin sei. Er schaute mich skeptisch an, ließ mich aber dann doch hinein. 

 

     Es war ein eigenartiges Gefühl, die Synagoge zu betreten. Draußen das bunte, laute Treiben eines indischen Städtchens, hier drinnen die feierliche Stimmung eines jüdischen Festtages.

 

     Der Vorraum des Tempels fungiert als "Frauenabteilung", da die eigentlich  dafür vorgesehene  Balustrade nur über eine steile Treppe erreichbar ist und es für die meisten Gläubigen zu mühevoll ist, diese zu erklimmen. Der Hauptraum ist von hier durch zwei große fensterartige Maueröffnungen und dem breiten

Eingangstor gut sichtbar. 

 

     Ich sah mich um: Eine Handvoll Frauen in farbenprächtigen Saris, vertieft in ihren hebräisch geschrieben Gebetbüchern. Andächtig sprachen sie die Texte, die der Kantor vortrug oder sang, laut mit. Sie hatten fast ausschließlich indische Gesichtszüge und ihr Teint variierte von bronzen bis dunkelbraun. 

 

     Von dort blickte ich in die eigentliche Synagoge, die mit unzähligen hängenden Kandelabern geschmückt ist. Der Boden ist mit handbemalten chinesischen Fliesen bedeckt, die der Kaufmann Ezekiel Rahabi Mitte des 

18. Jahrhunderts, wie ich später erfuhr, aus Kanton mitgebracht hatte. Er ließ auch den Glockenturm, der sich nebenan befindet, erbauen. In der Mitte des Raumes befindet sich auf auf einem halbrunden Podest, der von einem vergoldeten Geländer umgeben ist, der Platz des Vorbeters. Im Hintergrund sah ich den von einem roten Vorhang umgebenen Thoraschrein.

 

     Es befanden sich ungefähr vierzig Gläubige in Betraum. Auch diese hatten größtenteils indische Gesichtszüge, doch es gab auch einige südeuropäisch

aussehende Männer. Der Gottesdienst wurde nach altem, jemenitischen Ritus abgehalten. Als schließlich der Schofar (Widderhorn), der das Ende des Gottesdienstes ankündigte geblasen wurde, stellte ich fest, daß er viel größer und länger als in Europa war. Mir wurde später erzählt, daß jeder männliche  Jude ein Schofar zu Hause besitzt. 

 

     Als die Leute die Synagoge verließen und sich Shanah Towa (Alles Gute zum Neuen Jahr) wünschten, wollte ich sie nicht mit den vielen Fragen, die mir am Herzen lagen, belästigen und kam einige Tage später wieder. 

 

     Als ich neuerlich den Vorhof betrat, wurde emsig eine Sukkah (Laubhütte) aufgebaut. Am Eingang des Tempels wurde ich von einem jungen Mann in Empfang genommen, der mit mir eine Führung machte und mir eine Schenkungsurkunde des Königs Bhaskara Ravi Varmans an den Kaufmann Joseph Rabban

aus dem vierten Jahrhundert n.Chr. zeigte. Als ich mich als Jüdin zu erkennen gab, wechselte er mit mir einige Sätze in Hebräisch und stellte mir einen alten

Mann vor, der die Synagoge leitet. Bereitwillig erzählte er mir folgendes:

 

     In Cochin und Umgebung leben heute nur mehr etwa siebzig Juden. Im Jahre 1940 waren es noch über 2 500. Als Indien 1947 seine Unabhängigkeit

erklärte und ein Jahr später Israel gegründet wurde, entschloß sich der Großteil der jüdischen Gemeindemitglieder zur Aliyah (Auswanderung nach Israel). Es ist anzunehmen, daß es innerhalb der nächsten 20 Jahre keine Juden von Cochin mehr gibt.

 

     Auf meine Frage, ob es einen Rabbiner oder einen Lehrer gäbe, antwortete er: "Nein, jeder von uns ist abwechselnd bei den Gottesdiensten Vorbeter. Auch

einen Lehrer gibt es nicht, da in den jüdischen Häusern das religiöse Wissen und die hebräische Sprache von Generation zu Generation weitergegeben wird. Es

gab in den letzten zehn Jahren nur einen einzigen Disput und man konsultierte einen Rabbiner in London, er fand keine befriedigende Lösung und man löste die Frage allein".

 

     Schließlich wollte ich etwas über die Geschichte erfahren und erfuhr folgendes: Die ersten Juden sollen sich zu Zeiten König Salomons an der Küste von Malabar (Cochin) angesiedelt haben, um mit Teak, Elfenbein und Gewürzen zu handeln. Nach einer anderen Legende wird die erste Ansiedlung nach der Zerstörung des Zweiten Tempels (70 n. Chr.) vermutet. Die größte Gemeinde war nördlich von Cochin, in Cranganore, wo etwa tausend Jahre lang reger Handel mit Israel und der jüdischen Gemeinde in China betrieben wurde. Die erste schriftliche Erwähnung war allerdings erst im frühen Mittelalter, welche auf Kupferplatten eingraviert ist. Diese wird in der Synagoge aufbewahrt und beinhaltet detaillierte Privilegien, die wie schon oben erwähnt, von Bhaskara Ravi Varma an Joseph Rabban übergeben wurde. Es wird darin festgehalten, daß den Juden das Dorf Anjuvannam geschenkt wird und daß sie dort unter dem Schutz des jeweiligen Regenten leben und arbeiten können, "So lang als die Welt und der Mond existiert". 

 

     Im 12. Jahrhundert lebten ungefähr 1 000 Juden an der Malabarküste bis ein Streit zwischen zwei Brüdern der einflußreichen Familie Rabban entstand. Beide bildeten jeweils eine kleine Gefolgschaft und es kam auch zu Tötungen. Die benachbarten Prinzen intervenierten und die beiden Brüder konnten mit ihren

Gesinnungsgenossen nach Cochin flüchten, wo sie im Jahre 1345 die Kochangadi Synagoge gründeten und sich erfolgreich im Pfefferhandel betätigten. Fast zwei-

hundert Jahre später (1524) attackierten die Mauren die verbliebenen Juden in Anjuvannam und brannten das Dorf völlig nieder. Die Überlebenden flohen

ebenfalls nach Cochin, wo sie unbehelligt leben konnten. 

 

    Während der Inquisition zwischen Mitte des 15.- und 16. Jahrhunderts wurden viele spanische und portugiesische Juden ins Exil getrieben und kamen nach Cochin, da sie vom damaligen Raya Cheraman Parumal eingeladen wurden und wo sie unter seinem Schutz standen.  Fortan wurde er als "König der Juden" bezeichnet. Im Jahre 1565 schenkte er ihnen  ein Stück Land gleich neben seinem Palast, wo 1568 die jetzige Synagoge gebaut wurde. Ohne seinem Protektorat wäre ein Überleben nicht möglich gewesen, da die gesamte Küste Malabars unter portugiesischer Besatzung war. Als später das gesamte Gebiet unter holländischer und dann unter britischer Herrschaft stand, hielten sich die jeweiligen Rayas an die Gesetzgebung Parumals und die Juden konnten sich unter ihrem Schutz sicher fühlen. 

 

     Geschichtlich gesehen konnte man die jüdische Gemeinde in zwei Hauptgruppen teilen, in die sogenannten "Schwarzen Juden (85 %)"  und die "Weißen Juden (15 %). Sie standen, wie die christliche Bevölkerung, außerhalb des Kasten - Systems und konnten deshalb nur untereinander heiraten, waren und

sind aber ansonsten völlig integriert und sprechen die Landessprache Malayalam. Es gibt keinerlei Diskriminierung zwischen den verschiedenen Bevölkerungs,- bzw. Religionsgruppen, da der Hindu nicht nur Toleranz predigt, sondern auch danach lebt. 

 

     Als der alte Mann seine Geschichte beendete, verfielen wir beide in minutenlanges Schweigen, - es ging wahrscheinlich ähnliches in unseren Köpfen vor.

Eine Gemeinde, die zum Sterben verurteilt ist, eine Gemeinde, die eine so lange und abwechslungsreiche Geschichte hat. Jäh wurden wir von einer Besucher-

gruppe, die die Synagoge besichtigen wollten, in unseren Gedanken unterbrochen. Wird das Bethaus in einigen Jahren nur mehr  eine Touristenattraktion sein? Ein Punkt, der auf einer Sightseeing-Tour abgehakt wird?  

 

     Wir verabschiedeten uns ein wenig wehmütig und versprachen in Kontakt zu bleiben. - Vielleicht "Nächstes Jahr in Cochin"!